Solotauchen ist eine neue Bewegung im Tauchsport, die zu den althergebrachten Prinzipien des klassichen Buddysystems deutlich im Widerspruch steht.
Der Trend zum Single ist heutzutage nicht mehr wegzudenken. Seien wir mal ehrlich: In den Städten boomen die Singlehaushalte und auch im Bereich Beziehung gelten andere „Werte“ als vielleicht noch bei früheren Generationen.
In einer egozentrischen Gesellschaft, in der Freundschaften eher auf Social Communties wie Facebook, Twitter oder Google+ gepflegt werden als in der analogen Welt, ist es daher nur konsequent, dass auch im Bereich des Tauchsports mehr und mehr Hobbysportler dem Singledasein frönen.
Drum prüfe, wer sich ewig bindet…
Sicher, zum einen ist es nicht gerade leicht, den richtigen Buddy zu finden: Gemeinsame Interessen und eine ähnliche Gesinnung sind für die Zeit des Tauchurlaubs, insbesondere, wenn das Buddyteam in den engen Räumlichkeiten einer Safariboot-Kabine zusammengepfercht ist, von großer Bedeutung. Da muss die Taucherfreundschaft schon einiges aushalten können, wenn es darum geht, sich für den Zeitraum des Tauchurlaubs nicht gegenseitig auf die Nerven zu fallen.
Kollidierende Wünsche und Vorstellungen
Und auch unter Wasser wird das Buddyteam immer wieder auf eine Bewährungsprobe gestellt.
Der eine Taucher möchte lieber das sichere Gefühl der Nähe zu seinem Buddy erfahren, während der andere unter Wasser eher auf Distanz geht. Oder einer der Buddys neigt zu Bewegungsdrang und möchte die Areale, die betaucht werden, eher weitläufig erkunden, während der andere tendenziell an „Bewegungsarmut“ leidet und die Tauchgänge eher stressfrei und gemütlich angehen möchte.
Ein anderes Beispiel wäre da der Unterwasserfotograf, der gerne an seinem Lieblingsmotiv ausgiebig verweilt, um die richtige Aufnahme in den Kasten zu kriegen, während der Buddy lieber weiterziehen möchte.
Die Liste der Beweggründe und Argumente lässt sich sicher noch um zahllose Beispiele erweitern.
Hilfe für den Individualisten
Eine neue Art des Tauchens soll zumindest den Individualisten in der Tauchergemeinde Abhilfe versprechen. Diese neue Art des Tauchens nennt sich Solotauchen und inzwischen haben schon zahlreiche Verbände reagiert und bieten den zum klassischen Buddy-System im Widerspruch stehenden Kurs Solotauchen an.
Klar ist eins: Bereits zertifizierte Taucher können so wieder als Kunden zurückgewonnen werden und bescheren den Anbietern zusätzliche Erlösquellen, die im hart umkämpften Markt durchaus willkommen sind. Ob der Trend aber unbedingt sinnvoll ist, bleibt abzuwarten.
Safety always first
Sicher ist jedoch: Die Sicherheit beim Tauchen sollte immer vorgehen und ob das einsame Tauchen die Sicherheit des einzelnen Tauchers verbessert, bleibt anzuzweifeln.
Inhalte der Kurse
Zweifellos bieten die von den Verbänden vermittelten Kursinhalte allerlei Nützliches, was den erfahrenen Taucher wissensmäßig in seiner Tauchentwicklung weiterbringt.
So durchleuchtet der theoretische Teil tatsächlich auch die Theorie des Buddy-Systems auf sinnvolle Weise und erläutert die wichtigsten Vorbereitungen für das Solotauchen wie beispielsweise die zu treffenden Sicherheitsvorkehrungen sowie Absprachen mit verantwortlichen Personen wie Bootsführern und Tauchbasen.
In den Praxisteilen gilt die besondere Aufmerksamkeit der eigenen Ausrüstung. Hinzu kommen verschiedene Übungen zum Thema Apnoe, unter anderem auch das Arbeiten mit angehaltener Luft.
Zudem wird der Einsatz von redundanten Systemen wie Doppelflaschen mit absperrbaren Ventilen sowie Stage-Flaschen als auch das Benutzen redundanter Tiefenmesser und Tauchcomputer trainiert.
Strenge Kriterien
Begrüßenswert ist auch die Tatsache, dass die Verbände die Kriterien zur Aufnahme in den Kurs entsprechend hoch angesetzt haben.
Der IDA setzt eine Mindestzahl geloggter Tauchgänge von nicht weniger als 70 TG voraus, PADI sogar 100 TG. Und auch bei der Brevetierung des Tauchers wird die Messlatte hoch angesetzt:
IDA fordert 3 Sterne und PADI mindestens einen Advanced Open Diver (AOWD).
Ob die Vorzüge der Kursangebote einerseits den Kurspreis andererseits die Risiken des Solotauchens rechtfertigen, bleibt offen. Fakt ist, dass ein Solotaucher bei einer Gefahrensituation auf sich alleine gestellt bleibt, während der Buddy im Notfall die richtige Hilfestellung leisten kann.
Der Einsatz einer noch so guten Planung wie auch der besten redundanten Systeme kann nur in bestimmten Situationen hilfreich sein. Ein Taucher der in Panik gerät, die Orientierung verliert oder gar in Ohnmacht fällt steht alleine da und kann je nach Schwere der Lage in akute Lebensgefahr geraten, was möglicherweise mit einem klassischen, funktionierenden Buddysystem hätte verhindert werden können.
Bei allen Einwänden gegen das Solotauchen wollen wir dieses generell nicht verteufeln. Solotauchen als auch das Buddysystem haben klar Stärken und Schwächen. Um ein paar grundlegende Entscheidungshilfen zu geben, haben wir eine Liste mit den Vor- und Nachteilen zusammengestellt.
Das Buddysystem
Die Vorteile:
+ gemeinsames Erleben des Tauchgangs
+ Sicherheitsgefühl
+ geteilte Freude
+ Im Notfall: Hilfestellung
+ Vertiefung der Freundschaft
Die Nachteile:
– Abhängigkeit vom Buddy
– unterschiedliche Interessen
– wenig Privatsphäre im Urlaub
– Abstimmungszwang
Das Solotauchkonzept
Die Vorteile:
+ Gestaltung des Tauchens nach eigenen Interessen
+ uneingeschränkte Privatsphäre
+ Unabhängigkeit
+ Weiterentwicklung der eigenen Tauchfertigkeiten
+ besonderer Erlebnis
Die Nachteile:
– fehlendes Sicherheitsgefühl
– ungeteilte Erlebnisse
– zusätzliche Kursgebühren
– möglicherweise zusätzliches Equipment
– hohes Risiko
– erforderliche Nervenstärke und Routine
Die Frage der Gewichtung der einzelne Kriterien muss jedem selbst überlassen bleiben. Risikofreudigere Taucher werden die Kontras des Solotauchens eher weniger gewichten als die Vorteile und umgekehrt wird es sich bei den risikobewussteren Tauchern verhalten.