Greifen Haie Menschen an?

Haie sind faszinierende, aber oft missverstandene Raubfische. Sie spielen eine entscheidende Rolle im marinen Ökosystem und haben sich seit Millionen von Jahren nahezu nicht mehr verändert. Trotz ihrer Bedeutung und ihrer beeindruckenden Natur haben Haie einen schlechten Ruf als blutrünstige Menschenfresser. Obwohl es allzu selten zu Unfällen mit Haien kommt und noch weniger zu daraus resultierenden Todesfällen, überschlagen sich die Medien bei derartigen Missglücken und verbreiten bis heute die Mär des blutrünstigen Meeresmonsters, das in einen ungezügelten Fressrausch verfällt.

Unsere langjährige Erfahrung hat uns zu einer anderen Überzeugung gebracht: Wir kennen den Hai nur als in der Regel vorsichtiges, je nach Gattung auch extrem scheues Tier, das man fast kaum vor die Linse bekommt. Und auch bei den größeren oder wenigeren scheuen Haiarten hatten wir nie ein schlechtes Gefühl. Es gab Situationen, die unsere volle Aufmerksamkeit erforderten – Fokus auf das Tier und sorgfältig das Verhalten beobachten. Aber nach unserer Einschätzung gab es niemals eine gefährliche Situation.
Dieser Beitrag soll einen Überblick geben, wie häufig Haiunfälle mit Menschen tatsächlich vorkommen und was die möglichen Ursachen bei den seltenen und doch tragischen Vorfällen sein können.

Extrem selten: Haiunfälle mit Menschen

Haiunfälle mit Menschen sind extrem selten. Laut dem International Shark Attack File (ISAF), das von der University of Florida geführt wird, gab es im Jahr 2022 weltweit 57 unprovozierte Haiangriffe, von denen fünf tödlich endeten. Im Vergleich dazu ist die Wahrscheinlichkeit, in einen Autounfall verwickelt zu sein, oder von einem Blitz getroffen zu werden, weitaus höher. Tatsächlich zeigen Statistiken, dass jährlich etwa 1,3 Millionen Menschen bei Verkehrsunfällen ums Leben kommen. Im selben Zeitraum sterben durchschnittlich 24.000 Menschen durch Blitzschläge.

Zum Vergleich: Kühe, die auf den ersten Blick harmlos erscheinen, verursachen in den USA durchschnittlich 20 Todesfälle pro Jahr, meist durch Tritte oder Zusammenstöße. Sogar herabfallende Kokosnüsse, die oft scherzhaft als Gefahr dargestellt werden, führen weltweit zu schätzungsweise 150 Todesfällen pro Jahr. Diese Zahlen verdeutlichen, dass die Gefahr, die von Haien ausgeht, im Verhältnis zu anderen alltäglichen Risiken minimal ist.

Haie sind Wildtiere und Raubtiere

Haie sind Wildtiere und als solche sind ihre Verhaltensweisen durch Instinkte und natürliche Bedürfnisse geprägt. Sie sind Raubtiere, die sich in ihrem natürlichen Lebensraum an die Spitze der Nahrungskette gesetzt haben. Das bedeutet, dass sie ihre Umgebung erkunden und potenzielle Beutetiere identifizieren müssen, um zu überleben. Menschen sind jedoch nicht Teil ihres natürlichen Beutespektrums. Die meisten Haiarten ernähren sich von Fischen und Meeressäugern wie Robben und Delfinen.

Es ist wichtig zu verstehen, dass Haie in der Regel nicht gezielt Menschen angreifen. Wenn es zu einem Zwischenfall kommt, handelt es sich oft um einen „Fehlbiss“. Haie nutzen ihre Mäuler, um unbekannte Objekte zu untersuchen, man spricht auch vom Probe- oder Gaumenbiss, mittels dem ein Hai eine mögliche Beute testet. In trübem Wasser oder bei schlechter Sicht kann es in seltenen Fällen vorkommen, dass ein Hai einen Menschen mit einem seiner natürlichen Beutetiere verwechselt und zunächst einen entsprechenden Gaumenbiss vornimmt, um zu verifizieren, ob die Beute geeignet ist oder nicht. Findet ein derartiger Probebiss an einem Menschen statt, so lässt der irregeleitete Hai spätestens dann normalerweise von seiner vermeintlichen Beute ab.

Ursachen von Haiunfällen

Es gibt mehrere Gründe, warum es zu Unfällen mit Haien kommen kann. Zu den häufigsten Ursachen zählen:

  1. Verwechslung: Wie bereits erwähnt, können Haie Menschen mit ihrer natürlichen Beute verwechseln. Dies ist besonders in Gegenden mit hohem Robbenbestand der Fall, da Robben in der Silhouette und Bewegung einem schwimmenden Menschen ähneln können.
  2. Neugier: Haie sind neugierige Tiere und erkunden ihre Umgebung oft durch Beißen. Ein „Probebiss“ eines Hais ist meist nicht tödlich, kann aber erhebliche Verletzungen verursachen.
  3. Territoriales Verhalten: Einige Haiarten zeigen territoriales Verhalten und könnten aggressiv reagieren, wenn sie sich bedroht fühlen oder ihr Territorium verteidigen wollen.
  4. Jagdverhalten beachten: Haiangriffe treten häufiger während der Dämmerung und des Morgengrauens auf, wenn viele Haiarten am aktivsten sind und jagen. Schwimmer, Taucher und Surfer sollten diese Zeiten meiden.
  5. Menschliche Aktivitäten: Bestimmte menschliche Aktivitäten, wie Surfen oder Schnorcheln in Gebieten mit hoher Haiaktivität, erhöhen das Risiko von Begegnungen. Dies gilt insbesondere in Küstenregionen, die bekannt für große Haiarten wie den Weißen Hai sind.
  6. Angeln und Blut im Wasser: Plätze, an denen gefischt und Fische ausgenommen werden, können Haie anlocken. Das Blut und die Bewegungen der gefangenen Fische können Haie anziehen, was zu einem erhöhten Risiko für Menschen führen kann, die sich in der Nähe aufhalten. In diesen Situationen besteht sowohl die Gefahr der Beutekonkurrenz als auch der Verwechslung, insbesondere in trübem Wasser.

Evolutionäre Perspektive auf Menschenblut

Es gibt ein weitverbreitetes Missverständnis, dass Menschenblut Haie besonders anzieht. Tatsächlich ist diese Annahme evolutionär betrachtet eher unwahrscheinlich. Haie haben ihre Sinne über Jahrmillionen so spezialisiert, um Blut, Bewegungen, Gerüche und elektrische Impulse ihrer natürlichen Beutetiere wahrzunehmen. Dazu zählen je nach Haiart Fische, Molusken, Meeresschildkröten, Meeressäuger und auch Seevögel. Während Haie Blut im Wasser wahrnehmen können, ist Menschenblut für sie nicht von besonderem Interesse. Studien haben gezeigt, dass Haie eher auf die chemischen Signale und Bewegungen ihrer bevorzugten Beutetiere reagieren als auf Menschenblut. Mehr noch: Mehr uns mehr besteht dahingehend Konsens, dass Haie auf menschliches Blut nicht reagieren. (Siehe hierzu auch: Interview SRF mit Haiforscher Juerg Brunnschweiler)

Präventionsmaßnahmen

Es gibt verschiedene Maßnahmen, die Menschen ergreifen können, um das Risiko eines Haiangriffs zu minimieren:

  1. Informiert bleiben: Lokale Hinweise und Warnungen beachten, insbesondere in Gebieten mit bekannter Haiaktivität.
  2. Sichtverhältnisse beachten: Bei trübem Wasser oder schlechter Sicht nicht ins Wasser gehen. Haie können in solchen Bedingungen leichter Fehler machen.
  3. In Gruppen tauchen: In Gruppen schwimmen, da Einzelgänger eher angegriffen werden.
  4. Jagdgebiete meiden: Gebiete, die denen Haie jagen, sollten Schwimmer, Taucher, Surfer und andere Wassersportler meiden.
  5. Tauchgänge bei Dämmerung und Nacht: In Tauchgebieten mit sicheren Haivorkommen sollten Nachttauchgänge und Tauchgänge in der Dämmerung gemieden werden. Viele Haie jagen genau dann.
  6. Kein Schmuck tragen: Auf glänzende Gegenstände verzichten, die wie Fischschuppen wirken und Haie anziehen können.
  7. Dunkle Tauchausrüstung: Bunte oder helle Farben ziehen eher die Aufmerksamkeit der Tiere auf sich
  8. Sichere Angelpraktiken: Beim Angeln darauf achten, dass Fischabfälle und Blut nicht in der Nähe von Badebereichen ins Wasser gelangen, um Haie nicht anzulocken.

Fazit

Die Vorstellung, dass Haie gezielt Menschen jagen, ist ein Mythos, der durch Medien und Filme wie „Der weiße Hai“ verstärkt wurde. Tatsächlich sind Haiangriffe äußerst selten und meist das Ergebnis von Verwechslungen oder neugierigem Verhalten. Durch das Verständnis des Verhaltens von Haien und das Ergreifen einfacher Vorsichtsmaßnahmen können Menschen das Risiko von Haiangriffen weiter minimieren. Es ist wichtig, sich daran zu erinnern, dass Haie eine wesentliche Rolle im marinen Ökosystem spielen und dass wir, wenn wir ins Meer gehen, Gäste in ihrem Lebensraum sind.

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