Schon während der Anfahrt macht der Tauchplatz wenig Lust auf den Sprung in die trüben Fluten. Die triste Hafenlandschaft, das marode Transportschiff am Pier und der überall erkennbare Unrat machen einen wenig einladenden Eindruck.
Aber echte Tauchkenner wissen: Gerade die schmuddeligen Hafenbereiche sind im Indopazifischen Raum eine wahre Fundgrube für außergewöhnliche Lebewesen. Versteckt in Schlamm und Müll lassen sich seltene wie skurrile Lebewesen aufspüren und erfreuen die Herzen der Tauchsportler.
Die Sicht beim Abtauchen gleicht einem gekippten Baggersee: Schwebeteilchen, deren Herkunft keiner von uns genau erfahren möchte, trüben die Sicht auf ein Minimum herunter. Teilweise beträgt die Sicht 5 Meter, aber das scheint niemanden zu stören – ganz im Gegenteil: Die Augen der Taucher in unserer Gruppe glitzern vor lauter Jagdbegeisterung.
Dreck und Mutationen
Trotz der Verschmutzung, die hier unter Wasser vorherrscht, weisen die Pfeiler des Jettys einen erstaunlich üppigen Korallenwuchs auf: Hart- und Weichkorallen, ja sogar weit ausladende Gorgonien lassen sich bestaunen.
Im tieferen Bereich des Tauchplatzes – wir bewegen uns auf ca. 12 Meter – steht an einem der hinteren Pfeiler ein Schwarm imposanter Fledermausfische. Der Durchmesser der Tiere beträgt gute 40 Zentimeter.
An einem anderen Pfeiler entdecken wir eine seltsame Schnecke, die wir bisher noch nicht zuordnen konnten. Eine halbe Drehung um besagten Pfeiler lässt sich ein Paar beim Liebesspiel beobachten.
Nachdem wir unsere Bilder geschossen haben, überlassen wir die Schnecken ihren körperlichen Gelüsten und tauchen gemütlich weiter. Unter uns ist nichts als graubrauner Schlick – zumindest auf den ersten Blick. Beim genaueren Hinsehen tarnt sich eine Sepia sandfarben, um sich unseren Blicken zu entziehen.
Als unsere Tauchlampen über das wirbellose Tier hinwegstreichen, geht es auf Abstand und beobachtet uns eine Zeit aus sicherer Distanz. Dann entdecken wir in direkter Nähe zwei Seenadeln, die zur Bewegung der Dünung zu tanzen scheinen.
Rechts von uns schichtet sich flach eine Lage Geröll auf, als hätte jemand ein nicht mehr benötigtes Mauerteil über den Pier geworfen.
Unter einem Überhang bewegt sich geschmeidig insektengleich ein Fangschreckenkrebs zwischen dem Geröll. Sein schillernder feingliedriger Körper schiebt sich ein Stück weit unter einen Überhang zurück und beäugt uns mit seinen beweglichen Stilaugen vorsichtig.
Als wir weiter in Richtung Flachbereich tauchen, entdecken wir zwei filigrane Grundeln, die den sandigen Boden nach Essbarem durchpflügen. Plötzlich ein geflügelter Fisch am rechten Sichtfeld, der blitzartig Reißaus nimmt: Voller Erstaunen erfassen wir einen Knurrhahn, der mit ausgebreiteten Schwingen über den Boden zu fliegen scheint. Rasend schnell entzieht sich der skurrile Meeresbewohner unseren Blicken, ehe wir einen riesigen Eidechsenfisch vor uns ausmachen können.
Anscheinend leben hier nicht nur außergewöhnlich sondern auch außergewöhnlich große Tiere – bei all dem Dreck hier unten kaum vorstellbar aber eine unbestreitbare Tatsache. Der Fisch misst sicher seine 35 Zentimeter und zählt so zu den üppigeren Vertretern seiner Gattung.
Als wir nach 80 Minuten immer noch knapp unter 100 Bar Luftreserven haben, beschließen wir, den Tauchgang zu beenden. Beim Austauchen flattert noch eine kleine Gruppe Messerschnepfenfische zum Abschied vorbei. Und dann geht es bereits nach dem Sicherheitsstopp an die Wasseroberfläche zurück.
Fazit
Der Jetty ist ein definitiv beeindruckender Tauchspot.
Während man sich in aller Ruhe auf zwischen 5 und 12 Metern nach den echten Besonderheiten des Ozeans umsieht, vergeht die Zeit aufgrund der eindrucksvollen Sichtungen und dem dadurch ausgelösten Jagdfieber wie im Flug.
Die Sicht ist bescheiden, aber gerade das macht es durchaus noch interessanter: Wer den sprichwörtlichen grünen Schleier durchdringt, dem offenbaren sich die unglaublichsten Eindrücke.
Je nach Sicht besteht die Möglichkeit, auch mal den Buddy aus den Augen zu verlieren – daher ist immer Vorsicht angesagt. Der Tauchplatz ist somit eventuell nicht gänzlich für unerfahrene Greenhorns geeignet.
Was bleibt sind fantastische Eindrücke und nach dem Auftauchen das dringende Bedürfnis, sich die Zähne zu putzen und gründlich zu duschen.