Zu Beginn seiner Tauchkarriere steht man noch vor den Grundlagen der Tarierung: Die Sinne müssen sich zunächst an den ungewohnten Schwebezustand im Element Wasser gewöhnen und der gekonnte Umgang mit der Dosierung des Lufteinlasses an der Tarierweste muss auch erst erlernt werden.
Wie ein altes Sprichwort sagt: „Es ist noch kein Meister vom Himmel gefallen“ – oder ins Wasser! Und so gibt es kaum jemanden, der die Schulbank der Tauchbasis als Naturtalent verlässt. Aber mit voranschreitender Erfahrung und Übung rückt das bewusste Tarieren mehr und mehr in den Hintergrund. Das Tarieren wird zusehends zum Automatismus ähnlich wie die richtige Dosierung einer Autobremse.
Aber warum ist das Beherrschen der Tarierung beim Tauchen so wichtig?
In jedem Tauchkurs bekommt man eingebläut, wie unerlässlich wichtig das korrekte Tarieren ist und auch in der Praxis nehmen Tarierübungen einen gewichtigen Platz ein.
Hierzu seien zahlreiche Gründe angeführt. Zum einen ist das Tauchen mit der richtigen Tarierung die angenehmste Art, den Tauchsport zu betreiben. Perfekt austariert steht der Taucher lehrbuchmäßig waagrecht im Wasser und bietet Strömung und Wasser den geringstmöglichen Widerstand. Das macht das Tauchen nicht nur besonders angenehm sondern spart auch noch wichtige Atemluft und sorgt für einen stressfreien Verlauf des Tauchgangs. Ein weiterer Vorteil liegt in der Tatsache, dass ein gut austarierter Taucher sich weniger hektisch im Wasser bewegt und somit ebenfalls der Luftverbrauch geringer ist als bei einem Taucher, der ständig seinen Auf- oder Abtrieb regulieren muss.
Im schlimmsten Fall kann eine mangelhafte Tarierung auch zu einer ernsten Gefährdung führen – beispielsweise beim Durchsacken oder beim unkontrollierbaren Aufstieg.
Aber auch die Umwelt profitiert vom geübten Taucher, der die Tarierung beherrscht: Mittels perfekter Tarierung hält der Taucher Abstand zu Objekten im Wasser (in der Regel Korallen, Schwämme und andere immobile Meereslebewesen). Wer sich selbst richtig einschätzen kann und das Tarieren aus dem Eff-Eff beherrscht, wird souverän Abstand zwischen sich und dem Untergrund halten und so keine Lebewesen gefährden oder verletzen.
Physikalische Größe: Auftrieb im Element
Die bestimmende physikalische Größe beim Tarieren ist der Auftrieb eines Körpers im Wasser – in diesem Fall unser eigener Körper, den wir mit den unterschiedlichsten Ausrüstungsgegenständen behängen, ummanteln und bekleiden. So sorgen dicke oder dünne Neoprenanzüge für unterschiedliche Auftriebseigenschaften – ein dünnerer Neoprenanzug enthält in seinem Kunststoff weniger eingeschlossene Luft- oder Gasbläschen und sorgt so für weniger Auftrieb als ein dickerer.
Ebenso beeinflussen unterschiedliche Jacketgrößen den Auftrieb, da deren Luftkammern auch unterschiedliche Luftmengen zulassen und so unterschiedlich große Auftriebskörper darstellen. Auch ein hoher Körperfettanteil sorgt für höheren Auftrieb im Wasser und gilt bei der Tarierung und der Wahl der richtigen Bleimenge zu beachten.
Fotofans aufgepasst: Unterwasserkameras und deren Gehäuse tragen zum Auftrieb bei – positiv oder negativ. Mit speziellen Gewichten oder Auftriebskörpern lassen sich die Gehäuse neutral austarieren. Es ist schon oft vorgekommen, dass ein UW-Fotograf durch den großen Auftrieb der Kamera nicht abtauchen konnte – ehrlich gesagt: Uns auch!
Element Wasser
Die unterschiedlichen Auftriebseigenschaften zwischen Süß- und Salzwasser beeinflussen den Auftrieb, wobei Salzwasser einen höheren Auftrieb hat als Süßwasser und entsprechend den Einsatz von mehr Blei erfordert. Verantwortlich für den höheren Auftrieb des Salzwassers ist – wie die Vermutung nahe legt – die höhere Salzkonzentration.
Bleimenge und die Tarierung beeinflussen sich unmittelbar. Wer zu viel Blei auf dem Gurt hat, der wird sich schwer tun, perfekt zu tarieren. Umgekehrt verhält es sich, wenn die gewählte Bleimenge zu gering ist – der Körper hat zu viel Auftrieb und steigt auf.
Faustregel zur Feststellung der perfekten Tarierung:
Optimal austariert ist, wer bei voller Tauchflasche und komplett entleertem Jacket im eingeatmeten Zustand bei angehaltener Luft bis zur Nasenwurzel im Wasser einsinkt. Beim Ausatmen sollte man langsam zu sinken beginnen. Hört sich kompliziert an? Ist es aber nicht. Folgende Schritte sind einzuhalten:
– Im ausgerüsteten Zustand mit lufteerem Jacket ins Wasser
– Einatmen und Luftanhalten
– Wer mit dem Absinken beginnt, hat zuviel Gewicht, wer nicht bis zur Nasenwurzel einsinkt benötigt weiteres Blei
Wer richtig tariert, hat die Balance zwischen Auf- und Abtrieb im Griff und den idealen Zustand im Wasser erreicht: Das Schweben.