Tag 1 – Checkdive auf Sha’ab Rumi
Es ist 05:30 Uhr, als ein Mitglied der Crew mit einem sanften Klopfen auf die Tür einen zögerlichen Versuch startet, uns aus dem Tiefschlaf zu holen.
Alle sind zu aufgeregt, um wirklich müde zu sein
Ich werde direkt wach, bin aber total übermüdet und benötige einige Sekunden, um zu realisieren, wo ich gerade bin. Nein, das ist nicht das heimatliche Schlafzimmer und es dauert einige Sekunden, bis ich begreife, dass ich mich an Bord des Safaribootes am Hafen von Port Sudan befinde.
Der beengte Raum unter Deck lässt keine Zweifel aufkommen: Wir sind im Sudan angekommen und bereits über Nacht zu unserem ersten Tauchplatz weitergefahren. Sha’ab Rumi steht für den ersten Tauchgang auf dem Plan.
Trotz Check-Dive-„Vorwarnung“ von unseren Tauchguides verspricht der Tauchgang einzigartig zu werden, so zumindest die Ankündigungen der Guides während ihres Briefings.
Dann heißt es schnell Ausrüstung anlegen, jeder erhält die von ihm angesagte Menge an Gewichten und von der am Heck gelegenen Tauchplattform geht es dann zunächst einmal direkt ins Wasser, sodass alle ihre Tarierung im Wasser überprüfen können.
Ich selbst fühle mich mit den 6 Kilo Gewicht, die ich mir habe aushändigen lassen, noch nicht ganz sicher und beschließe noch 2 halbe Kilos hinzuzufügen.
Es gibt nichts Anstrengenderes als am Ende des Tauchganges beim Sicherheitsstop mit zu wenig Gewicht auf 5 Metern herumzustrampeln und krampfhaft zu versuchen, nicht an die Wasseroberfläche getrieben zu werden. Daher: Sicher ist sicher…!
Als sich alle austariert und akklimatisiert haben, geht es wieder zurück an Deck und von da aus in die Dinghis, die uns direkt an den Einstiegspunkt bringen sollen.
Das Wetter spielt mit: Nachdem sich der morgendliche Dunst verzogen hat, eröffnet sich uns ein strahlender Tag mit einer Sicht bis zum Horizont. Am frühen Morgen strahlt um uns noch ein kräftiges Blau.
Keinem der österreichischen und italienischen Gäste an Bord ist die Müdigkeit noch die Spuren des gestrigen Anreisetages anzumerken.
Und so bemerken wir von der kurzen Fahrt des Dinghis kaum etwas. Die See ist ein wenig unruhig, aber das leichte Geschaukel bemerken wir kaum als schon das Signal unseres Guides ertönt: Jetzt heißt es Flossen und Maske anlegen, der Bootsführer hilft uns in unsere mit den 15 Liter Tauchflaschen schwer beladenen Tauchjackets.
Noch ein letzter schneller Check der eigenen Ausrüstung und schon lassen wir uns rückwärts in die See plumpsen und treffen uns schnell wieder an der Wasseroberfläche. Die Buddyteams finden zueinander und nach dem „Ok“ aller Teilnehmer tauchen wir endlich gemeinsam ab.
Ich merke sofort, dass es mein erster Tauchgang dieses Jahr ist, noch bin ich mit Ohren, Ausrüstung und den Eindrücken beschäftigt. Beim zweiten Tauchgang wird sich wieder die Routine eingestellt haben. Noch während ich einen Druckausgleich mache, entdecke ich das langgestreckte Plateau unter mir. Üppig bewachsen bietet es einer Menge Fischen Lebensraum.
Direkt unterhalb der Gruppe zieht ein Napoleon neugierig seine Bahnen. Es ist ein großes, ausgewachsenes Exemplar, dessen typische labyrinthartige Maserung den merkwürdigen Kopf dieses großen Lippfisches ziert. Mit seinen extrem beweglichen Augen beobachtet er uns eine zeitlang bis er dann nach befriedigter Neugier wieder davon schwimmt und im unergründlichen Blau des Ozeans verschwindet.
Wir entdecken am Plateau einige Peitschenkorallen, bei denen es sich immer lohnt, genauer hinzusehen und auch dieses Mal lohnt sich der Blick, denn ich entdecke zwei kleine Blennys. Die winzigen Fische liegen mit ihrem halbtransparenten Körper fast unsichtbar auf der Koralle.
Um uns herum ist überall ist „Fischsuppe“. Es tummeln sich Makrelen, Schnapper aller Art und jede Menge Süßlippen auf der Suche nach Nahrung, von den unzähligen Variationen der Doktorfische ganz zu schweigen.
Es ist zu merken, dass die Fische ein wenig unruhig und hektisch dahinschwimmen. Der Grund wird uns nach wenigen Augenblicken klar: Ein Pärchen imposanter grauer Riffhaie taucht vor uns auf und gleitet desinteressiert an uns vorbei.
Verständlich: Die Beutefische sind wesentlich interessanter als wir! Vermutlich checken sie ab, ob wir als Beute- oder Revierkonkurrenten in Frage kommen könnten. Aber ungelenk und stelzig mit all unserem unhandlichen Equipment erkennen die eleganten Räuber schnell, dass wir für sie keine Konkurrenz noch Bedrohung sind.
Die ersten Haie!
Der Tauchgang wäre auch ohne Haisichtung schon spannend genug gewesen. Aber nun sind wir ganz aus dem Häuschen und die Begeisterung kennt kein Halten mehr. Als die beiden Meeresräuber weiterziehen folgt ihnen in gebührendem Abstand ein Schwarm Jungbarrakudas – als ob sie in respektvollem Abstand darauf warten würden, dass vom Beutezug der Haie noch der ein oder andere Happen abfallen könnte.
Vielleicht signalisieren die Barrakudas den Haien auch ihre zahlenmäßige Überlegenheit
Und so eilt die Zeit dahin und mir ihr auch die Atemluft in unseren Tanks. Ich blicke auf meinen Finimeter und stelle fest, dass sich unser erster Tauchgang im Sudan so langsam dem Ende zuneigt. Wie üblich versammelt sich die Tauchgruppe auf 5 Metern und absolviert dort ihren Sicherheitsstop. Während wir „austauchen“, verabschiedet uns ein Schwarm großer Hornhechte knapp unterhalb der Wasseroberfläche. Was für ein Tauchgang!