Tauchsafari im Sudan

 Tag 1 – Précontinent II auf Sha’ab Rumi

Nachdem wir den aufregenden Checkdive absolviert haben, genehmigen wir uns ein ausgiebiges Frühstück, das die Crew großzügig für uns bereitgestellt hat. Wider besseren Wissens schlage ich mir den Magen bis zur Oberkante voll und weiß, dass ich das beim bevorstehenden Tauchgang spätestens wieder bereuen werde.

Futtern als gäb’s kein Morgen mehr…!

Nach dem Motto wandern Toasts, Rüheier, Kaffee und Saft in rauhen Mengen die Speiseröhre ihrer finalen Bestimmung entgegen. Der frühe erste Tauchgang hat ein kaum stillbares Hungergefühl hinterlassen und so kämpfen alle mit großem Apetit die Schlacht am kalten Buffet.

Als alle gesättigt sind, bleibt uns noch eine gute halbe Stunde bis zum Briefing – in spätestens einer Stunde werden wir uns wieder unter Wasser befinden und ich mache mir zu Recht ein wenig Sorgen um meinen vollgestopften Magen.

Erst beim Briefing erfahren wir, wo uns die Route hinführt. Wir bleiben bei Sha’ab Rumi und betauchen das verlassene Unterwasser-Habitat Précontinent II von Jacques Cousteaus Forschungscrew. In den 1960er Jahren hatten die Taucher ausführliche Unterwasserstudien dort betrieben und die Anlage nach Abschluss der Arbeiten sich selbst überlassen.

Wir sind gespannt und voller Erwartungen, denn auf den Spuren Herrn Cousteaus tauchen zu dürfen, ist für die teilnehmenden Taucher ein absolutes Highlight.

„Ob uns der Geist der Legende unter Wasser erleuchten wird?“ Nur kurz streicht dieser – zugegeben schwülstige Gedanke – meine Hirnwindungen, dann bin ich schon wieder ganz bei mir und im Vordergrund steht nur die Freude auf das Tauchen.

Als wir eintauchen entdecken wir auch hier herrliche Korallengärten und reichlich Fisch. Langsam geht es auf eine Tauchtiefe von etwa 10 Metern hinab, während rechter Hand eine sanft abfallende wunderschöne Korallenwand vorbeizieht.

Schon nach wenigen Minuten erreichen wir sandingen Boden, der zur Riffkante hin flach abfällt. Die sandigen Bereiche werden gelegentlich von kleineren Korallenblöcken unterbrochen und in etwas mehr als 20 Metern entdecken wir ein kugelförmiges größeres Gebilde, das sich als das vor langer Zeit als Behausung der Taucher genutzte Habitat.

Die Natur hat dem Seeigel, wie das eigenwillig gebaute Konstrukt auch früher genannt wurde, íhr ganz eigenes Tarnkleid übergezogen: Hart- und Weichkorallen zieren die Oberfläche, sodass das von Menschenhand geschaffene Unterwasserkonstrukt kaum noch zu identifizieren ist.

Erst als wir näherkommen erkennt man Details. Wo sich heute zahlreiche Glasfische tummeln, war früher der enge Einstieg in die spärliche Behausung, die gleich mehreren Tauchern als Ruhestätte dienen musste. Man bekommt schon ein mulmiges Gefühl, wenn man sich in dem platzmäßig wenig großzügigen Habitat aufhält und ich bin froh, als ich den Seeigel wieder verlassen kann.

Wenige Flossenschläge vom Habitat entfernt stoßen wir auf ein zeltähnliches Gebildes, das vom Zahn der Zeit schon deutlich angenagt wurde: Ein Teil der Stellplätze für die ursprünglich eingesetzten Unterwasserscooter der Crew steht vor uns – das Dach der Konstruktion ist weggerostet und den Rest des Gebildes halten nur die Korallen zusammen, so scheint es.

Die Überreste einer vergangenen Tauch-Ära

Während die anderen Taucher noch die Zeugen einer vergangenen Tauch-Ära gründlich erkunden, ziehen mein Buddy und ich noch einige Runden in der umliegenden Korallenlandschaft, die uns nun weit interessanter scheint. Wir entdecken viele Rifffische und Fahnenbarsche, die die schöne Landschaft mit bunten Tupfen überziehen.

Unter kleinen Überhängen entdecken wir eine kleine Schule Süßlippen und bei genauem Hinsehen tatsächlich auch zahlreiche Nacktschnecken.
Dann entdecke ich unseren Guide, der uns das Signal zum Aufbruch gibt – wo ein Tauchgang endet, wartet schon der nächste und ich bin mir gerade sicher geworden, dass die Entscheidung, im Sudan zu tauchen goldrichtig war!

Den Rest des Tages verbringen wir wie so oft auf Tauchsafaris im Dämmerzustand: Dösend in der wärmenden Sonne an Deck liegend oder sogar unter Deck, übermannt von Müdigkeit auf der Suche nach Schlaf.

Nun, wir benötigen noch ein paar Reserven, denn für den Abend wurde uns ein weiterer Tauchgang am Habitat von Cousteau versprochen.

Wie sich herausstellen soll, verhauen wir uns ordentlich, denn beim Abtauchen verfehlen wir das sandige Plateau: Im Dunkel folgt ein Taucher dem anderen und verdutzt und teilweise peinlich berührt stellen wir fest, dass wir bereits auf 28 Metern angelangt sind. Großartig: Wie geistig minderbemittelte Anfänger haben wir einen der wichtigsten Größen des Tauchens missachtet: Die Tiefe.

Nun, da wir früh unseren Fehler erkannt haben, bleibt uns noch ausreichend Zeit, diesen wieder auszubügeln und nach kurzer Zeit steigen wir wieder auf und finden schließlich das Plateau, auf dem wir den Rest des Tauchgangs absolvieren.

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