Tag 2 – Sha’ab Suadi
Es geht wieder in aller Frühe raus – mit verklebten Augen schleppe ich mich schlaftrunken ins Bad – ob ich um die Uhrzeit wirklich aufstehen möchte, die Frage stelle ich mir gar nicht. Müde gleitet die Zahnbürste durch den Mund, dann checke ich im Halbschlaf (dass ich es im Halbschlaf getan habe, sollte sich später rächen!) die Kameraausrüstung und eile meinen Buddy im Schlepptau die Treppen hoch – it’s Briefing-Time.
Heute geht es zu Sha’ab Suadi – einem Tauchplatz, der unter anderem bekannt ist wegen seines Schiffswracks „Blue Bell“. Das Transportschiff verlor einen Teil seiner Ladung, unter anderem Fahrzeuge des Herstellers Toyota, die teilweise um das Wrack herum verstreut sind.
Den mutigen unter uns ermöglicht sich das Betauchen des Wrackinneren – jedoch in einer Tiefe von 42 Metern, was nicht unbedingt jedermanns Sache ist. Wir tauchen schnell durch und dürfen im Inneren einen Blick auf die Reste der Ladung werfen.
Surreale Szenerie: Fische über Toyotas
Wie um die surreale Szene noch zu unterstreichen, hat im dunklen Wrackinnern nahe eines noch erstaunlich intakten Toyotas eine kleine Schule Streifenbarben versammelt, als wolle sie den Toyota gegen Eindringlinge beschützen. Als die Strahlen unserer Taschenlampen über die Innenwände des gesunkenen Transporters streichen, entdecken wir die Tiere plötzlich in einer Ecke des Frachtraumes. Vom Schein der Lampen verschreckt, weichen sie durch das gegenüberliegende Loch in der Schiffswand.
Irgendwie skurril: Ein Autofriedhof unter Wasser – nun auch noch „Friedhofswächter“ aus der Systematik der Knochenfische.
Wir verlassen das Wrackinnere, tauchen über das Schiff hinweg zurück in Richtung eines einzelnen Toyotas, der hier, wunderschön bewachsen, auf flachen Untergrund „gestrandet“ ist.
Deutlich erkennbar sind noch die einzelnen Bestandteile des Autos, wenn auch stark mit Korallen überwuchert.
Chasis, Kühergrill, Lenkrad, Lampen und Fahrgestell, alles noch da.
Freundlicherweise zeigt mir unser Tauchguide die ideale Fotoposition, aus der heraus die idealen Aufnahmen gelingen sollen. Ich richte die Kamera über das Lenkrad des Toyotas hinweg aus, blicke durch den Sucher und wie ich sehe, sehe ich gar nichts. Noch ein wenig irritiert, kippe ich den Schalter der Kamera auf an, dann wieder auf aus – gehorsam signalisiert die kleine LED-Leuchte den jeweiligen Status – On/Off.
Doch bleibt das Bild auf dem Sucher immer schwarz. Der ein oder andere kundige Leser mag sich bereits vor Lachen auf die Schenkel klopfen – zu Recht: Nach Jahren widerfährt mir ein grober Anfängerfehler: Während der Überprüfung der Kamera in aller Frühe habe ich vergessen, den Objektivdeckel zu entfernen. Großes Kino.
Als ich unserem Guide signalisiere, warum ich seine Bemühungen nicht mit entsprechenden Aufnahmen honoriere, setze ich einen betont lässigen Gesichtsausdruck auf – innerlich könnte ich mir in den Allerwertesten beißen.
Mit etwas Distanz allerdings muss auch ich wieder darüber schmunzeln. Eins ist sicher: Das wird mir nicht nochmal passieren… anderes sicher, DAS nicht!
Ein echter „Profi“ am Handwerk: Diesen Tauchgang wird es keine Bilder geben.
Den Hohn meiner Mitstreiter habe ich mir redlich verdient.
Als alle anderen, die keinen Objektivdeckel vor ihrer Linse hatten, ihre Aufnahmen gemacht haben, tauchen wir in der Gruppe weiter Richtung Tauchgangsende auf einen großen Korallenblock zu. Als wir näher kommen, schrecke ich kurz zusammen – mir ist, als habe sich der Korallenblock ein Stück bewegt – vermutlich haben mir meine Augen einen Streich gespielt.
Wir tauchen weiter in Richtung des Korallenblocks und jetzt sehe ich tatsächlich einen großen Schatten, der sich hinter das Meeresgebilde zurückzieht.
Voller Erwartungen tauchen wir in Richtung der Bewegung – behutsam, um – was auch immer es sein mag – nicht gleich zu verscheuchen.
Da schiebt sich unter der Koralle ein großer Kopf hindurch, der uns mit fragenden Augen anstarrt – es ist ein riesiger Fischkopf, bei genauerem Hinsehen erkennen wir einen riesigen Zackenbarsch.
Das Tier schreckt zurück und als wir den Korallenblock umrunden, huscht ein riesiger Schatten davon: Das Tier muss mindesten 1,50 Meter lang gewesen sein, die steile Rückenpartie des Fisches dürfte an die Metergrenze herangereicht haben, wenn nicht sogar darüber hinaus.
Was für ein kolossaler Fisch, den wir auf dem Tauchgang erleben durften. Schade, dass er mehr Angst vor uns hatte, als wir vor ihm. Wir hätten ihn gerne noch eingehender studiert..
Bilder hätte ich ohnehin nicht machen können… wir erinnern uns…
Als wir weiterziehen, hören wir zirpenden Quietschgeräusch – wie immer unter Wasser ist es schwer zu orten, woher die Geräusche kommen.
Was es ist, wissen alle: Irgendwo um uns herum müssen Delfine unterwegs sein.
Dann erblicken wir die Tiere an der Wasseroberfläche. 4 adulte Tümmler und ein Jungtier ziehen schnell an uns vorbei – das Sahnehäubchen unseres Tauchgangs.
Der Tag lässt sich gut an und wir beenden gut gelaunt den ersten Tauchgang.
Auch den zweiten Tauchgang absolvieren wir am Sha’ab Suadi. Auf zahlreichen Wunsch tauchen wir dann an anderer Stelle weiter nördlich des Wracks der Blue Bell – somit komme ich nun nicht mehr in den Genuss, Bilder des Wracks und der Toyotas machen zu können.
Aber uns wird ein weiterer schöner Tauchgang beschert: Eine gesunde Mischung aus Hart- und Weichkorallen erwartet uns unter Wasser. Die Strömung ist mäßig und die Sicht gut. Ein kleiner Schwarm Stachelmakrelen passiert uns, als wir ein Feld mit Peitschenkorallen überqueren.
In der Ferne entdecken wir einen einsamen grauen Riffhai, dem wir nicht allzu geheuer scheinen: Viel mehr als die Schwanzflosse des Tieres können nur die Vorderen in unserer Tauchgruppe erkennen.
Als wir vom Tauchgang zurück an Bord kommen, erwartet und die Crew freundlich mit Tee, Kaffee und Gebäck. Ein wenig müde und ausgekühlt, wie wir alle schon nach dem 5. Tauchgang sind, freuen wir uns über das selbstgebackene Naschwerk und die Heißgetränke.
Danach erst mal wieder chillen, bis der Nachttauchgang ansteht.