Tag 3 – Merlot Riff
Nachdem wir unseren 3. Nachttauchgang bei Sha’ab Suadi gemacht haben, stürzen wir uns hungrig auf das reichhaltige Buffet, das die Küchencrew für uns gezaubert hat; es ist immer wieder bemerkenswert, wie viel Leckereien aus einer derart kleinen Kombüse herausgetragen werden, angesichts der Tatsache, wie klein die Küchenräume auf den Safarischiffen oftmals ist.
Ein Kompliment am Rande…
…sei der Küchencrew gewährt: Große Kreativität – und das auf engstem Raum – wird hier jeden Tag gezeigt und es ist stets lecker.
Aber ich schweife ab… Nach 3 Tauchgängen ist der Abend nur kurz, nach dem Essen verschwinden alle recht zeitnah in ihre Kajüten. Und während wir nachts schlafen und von einem neuen aufregenden Tag träumen, setzen wir unsere Fahrt weiter in Richtung Merlot Riff.
Das Wetter scheint uns nicht allzu gut gesinnt: Das Boot kämpft sich nachts durch die Wellenkämme hindurch und ich wache öfters auf. Als morgens die Motoren jedoch zum Anlegemanöver runterfahren, hat sich die Lage ein wenig beruhigt und die See wieder einigermaßen ruhig.
Ein schneller Kaffee und ein paar Kekse bescheren uns ein erstes karges Frühstück. Ähnlich karg sind noch die Gespräche, morgens um 05.30 Uhr. Die dünnen Gespräche wirken noch ein wenig gezwungen. Wer will es uns angesichts der Uhrzeit verübeln.
Dann heißt es auch schon wieder „Briefing“, was wir begrüßen, denn es lenkt uns von unserer Müdigkeit ab. Heute starten wir früh mit dem Merlot Riff, das uns laut Aussage unseres Guides Hammerhaie in Aussicht stellt. „With a little luck“ könnten sich dann auch noch Mantas hinzu gesellen… Ja, so ein bisschen Glück wäre schon was Schönes. Aber wir sind bescheiden. Alles was kommt, nehmen wir gerne, und wenn es Hammerhaie und/oder Mantas sein solle – um so besser.
Ansonsten eines ist gewiss, dass es definitiv spannend wird. Bisher wurden wir noch nicht enttäuscht.
Nach 10 Minuten Fahrt erreichen wir das Merlot Riff – die Dünung ist ein bisschen wilder als bisher – aber nicht beunruhigend. „Backroll und direkt eintauchen“ – wurde kurzfristig abgestimmt und so befinden wir uns in kürzester Zeit im „Sinkflug“.
Fein, das wird super!
Der erste Eindruck ist schon mal hervorragend. Tolle Rifflandschaft mit abermals Hart- und zahlreichen Weichkorallen. Auch große Fächerkorallen in prächtigem Rot entdecken wir: Teilweise so groß, dass sie uns die Sicht versperren.
Riffbewohner gibt es ebenfalls im Überfluss: Fahnenbarsche, kleinere Zackenbarsche, Doktoren und wieder kleinere Schwärme von Süßlippen – die typischen endemischen Fischarten des Roten Meeres.
Hie und da eine Muräne, die bedrohlich ihr Maul auf- und zuklappt. Dabei handelt es sich aber nicht um eine Drohgebärde sondern schlichtweg aktives Atmen: Durch das Schließen des Mauls pumpt sauerstoffreiches Wasser zu ihren Kiemen.
Während wir mit der linken Schulter zur Riffwand entlangtauchen, zieht weiter im Blauwasser ein größerer Schwarm Hundezahn-Thunfische vorbei. Ein Teil der Fische löst sich aus der Formation und schwimmt zwischen uns hindurch.
So richtet sich unsere Aufmerksamkeit auch schließlich in Richtung Blauwasser. Makrelen jeglicher Couleur passieren und tausende Doktorfische schwärmen durch das zunehmend tiefere Blau des Meeres.
Pralles Leben… schöner Tauchgang.
Wir entdecken ein paar graue Riffhaie. Sie haben uns wahrscheinlich schon deutlich früher entdeckt, denn die Meeresräuber halten weit vor uns sicheren Abstand und entfernen sich kontinuierlich.
Es wird Zeit für uns, den Tauchgang mit dem Sicherheitsstopp abzuschließen. Einige von uns haben bereits die 50bar-Grenze ihrer Flasche erreicht – mich eingeschlossen.
An Bord des Bootes gibt’s endlich wieder ‚was „zwischen die Kiemen“: Frühstück!
Als gäb’s kein Morgen mehr, stürzen wir uns hungrig auf das Buffet… mal wieder. Danach noch ein paar Erledigungen – „Routine“ unter Deck quasi – und schon springen wir zum zweiten Briefing und im Anschluss in die Neoprenklamotten.
Im Briefing haben uns die Guides mitgeteilt, dass wir den zweiten Tauchgang auch am Merlot Riff abhalten. Die Überfahrt nach Angarosh sei aktuell noch zu rauh. Uns soll es nicht stören. War ohnehin ein schöner Tauchplatz. Vielleicht sehen wir hier ja noch Hammerhaie und Mantas?! Ja, ,mit etwas Glück…
Auch der zweite Tauchgang am Merlot Riff ist ein Erlebnis. Das Riff ist ähnlich bunt und üppig wie beim ersten Tauchgang, jedoch fällt die Formation steiler ab als zuvor. Unter uns ist zwar der Boden erkennbar, liegt aber jenseits der von uns tauchbaren Grenzen.
Aufgeregt schwirren an den Rändern der Wand, an der wir entlang tauchen, die Fahnenbarsche. Dazwischen die „üblichen Verdächtigen“: Doktofische, kleinere Zackenbarsche und gelegentlich kleinere Schwärme Makrelen auf der Suche nach einer günstigen Gelegenheit, den Hunger zwischen Frühstück und Mittag zu überbrücken.
Ein Imbiss zwischen durch kann ja nicht schaden. Ich denke kurz über das bevorstehende Mittagessen nach, verwerfe den Gedanken aber schnell, da der hohe Umgebungsdruck im Wasser noch immer meinen scheinbar prall gefüllten Magen komprimiert, was wiederum zu einem leichten Sodbrennen führt.
Bloß nicht schon wieder essen!
Die Rifflandschaft verändert sich: Die steile Wand, an der wir entlang tauchen, flacht allmählich ab. Dafür verschwindet auch der Boden unter uns aus unserem Sichtbereich. Dafür tauchen unter uns größere schön bewachsene Korallenblöcke auf, deren Erbauer die aus unerklärlichem Grund vor Äonen entschieden haben, ihre seltsamen und doch erstaunlichen Gebilde genau an dieser Stelle zu erbauen.
Für einen kurzen Moment verliere ich meinen Buddy in dem Gewirr aus Korallenblöcken und finde ihn nach kurzer Zeit wieder. Wir beide haben uns der Faszination hingegeben.
Die ersten Hammerhai
Als wir unseren Blick wieder nach vorne richten, entdecken wir, wovon wir nicht hätten träumen wollen: 3 Bogenstirnhammerhaie etwa 30 Meter von uns entfernt – viel zu weit, um gute Fotos machen zu können, aber ausreichend nah, um unsere Herzen deutlich schneller schlagen zu lassen.
YES! Vor Freude ballen und heben wir die Fäuste und jubeln uns durch den Atemregler zu, was für Außenstehende durchaus befremdlich wirken mag. Ob die Hammerhaie dies ähnlich gesehen haben, werden wir nie erfahren. Nur waren sie so schnell weg, wie sie auch aufgetaucht waren.
Nach dem Tauchgang bleibt irgendwie der Zweifel haften, ob wir tatsächlich Hammerhaie gesehen haben…
Wie beim Tauchen so oft, empfinde ich das Erlebte wie im Traum. Die fremdartige Landschaft, die optischen Eindrücke, Akustik und die anderen Druckverhältnis und auch der Zustand des Schwebens wecken Erinnerungen an Träume und versetzen mich jedes Mal in einen fast tranceartigen Zustand, der mich glauben machen will, ich träumte.
Aber nein, kein Traum: Die Hammerhaie waren echt.